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BVG21-Reform 2023: Mehr Rente, weniger Lücke?

BVG21-Reform
Lesedauer 8 Minuten

Die berufliche Vorsorge in der Schweiz, auch bekannt als die 2. Säule, ist seit Langem ein wichtiges Thema in der politischen Debatte. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das bestehende System dringend reformiert werden muss. Deshalb hat das Parlament eine Reform der beruflichen Vorsorge, die BVG21, auf den Weg gebracht. Die BVG Revision soll die Rentenlücken schliessen und das System insgesamt nachhaltiger machen. Was genau beinhaltet die BVG21-Reform und welche Auswirkungen hat sie auf dich?

Warum braucht die Schweiz eine Reform der beruflichen Vorsorge?

Die Schweiz verfügt über ein solides Sozialversicherungsnetz. Die demografische Entwicklung bedingt jedoch eine Konsolidierung dieses Systems, insbesondere in der beruflichen Vorsorge (2. Säule). Nach der Annahme der AHV 21-Reform am 25. September 2022 wurde am 17. März 2023 auch die BVG21-Reform an der Schlussabstimmung im Parlament angenommen. Mit der Reform der beruflichen Vorsorge sollen die Renten gesichert, die Finanzierung gestärkt und die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten – und damit besonders von Frauen – verbessert werden.
Die Pensionskassen mussten zuletzt mehr Geld für die Finanzierung der laufenden Renten aufwenden, als von Arbeitgebern und Angestellten angespart worden war. Dies führt zu einer Umverteilung von den Erwerbstätigen zur Rentnergeneration. Breiter Konsens im Parlament bestand, dass dies geändert werden muss.

Zum Stand der BVG Reform 2023: Was kommt mit BVG-21?

Die Reform BVG-21 hat verschiedene Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge in der Schweiz. Und diese schauen wir uns nachfolgend an.


Tieferer Umwandlungssatz

Der Umwandlungssatz ist der Faktor, mit dem das angesparte Kapital in eine lebenslange Rente umgerechnet wird. Mit der Reform soll der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet, dass auf 100’000 Franken angespartes Alterskapital nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr gezahlt werden. Dies führt bei unverändertem Altersguthaben zu einer Renteneinbusse von rund 12 Prozent.


Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration

Um die Renteneinbusse zu kompensieren, soll eine Übergangsgeneration einen Rentenzuschlag erhalten. Das Parlament einigte sich darauf, dass 15 Jahrgänge lebenslang diesen Zuschlag bekommen und rund die Hälfte dieser Generation soll davon profitieren. Dieser Rentenzuschlag wird jedoch nach Alter und Guthaben in der Pensionskasse abgestuft sein. Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung über ein Altersguthaben von 220’500 Franken oder weniger verfügt, soll Anrecht auf den vollen Zuschlag haben. Für Altersguthaben zwischen 220’500 und 441’000 Franken soll es einen degressiven Zuschlag geben. Wer mehr Guthaben hat, erhält keine Kompensation.

Höhe Vorsorgeguthaben beim RentenbezugHöhe ZuschlagZuschlag (Franken / Monat)
≤ 2,5-fache des max. versicherten Jahreslohns (220 500 Franken)voller Zuschlag200
≥2,5-fache und ≤ 5-Fache des max. versicherten JahreslohnsReduziert & abgestuft100-150
≥5-fache des max. versicherten Jahreslohns (441 000 Franken)kein Zuschlag0
Zuschlag zur Alters- und Invalidenrente in Abhängigkeit des Vorsorgeguthabens, Quelle: Parlament.ch, Stand: 16. März 2023

Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge, die auf Löhne bis 176’400 Franken erhoben werden. Wer also ein höheres BVG-Altersguthaben hat – rund die Hälfte der Bevölkerung – wird zwar wie alle Arbeitnehmenden in den nächsten 15 Jahren einen höheren Lohnabzug von 0,24% leisten, bekommt aber keinen Rentenzuschlag. Auch alle Jahrgänge, die bei Inkrafttreten der Reform unter 50 Jahre alt sind, kriegen keine Kompensationen.


Systemwechsel zu einem prozentualen Koordinationsabzug von 20%

Vom Koordinationsabzug hängt ab, wie viel von deinem Lohn in der 2. Säule versichert wird. Vereinfacht gesagt: Einkommen minus Koordinationsabzug = versicherte Lohnsumme. Der Koordinationsabzug wechselt von einem fixen Abzug von 25’725 Franken zu einem 20 Prozent vom Einkommens. Derzeit liegt der maximale BVG-Lohn bei 88’200 Franken. Der neue 20%-Abzug würde in diesem Fall also 17’640 Franken ausmachen und der versicherte Lohn neu auf 70’560 Franken begrenzt. Auf diesem Betrag müssen die Lohnbeiträge bezahlt werden.

Machen wir ein anderes Beispiel: Maria verdient im Jahr 50’000 Franken. Bisher hatte sie einen versicherten Lohn von CHF 25’115. Neu beträgt ihr versicherter Lohn 40’000 Franken (50’000 Lohn – 10’000 Franken Koordinationsabzug), auf den ihr Beiträge für die berufliche Vorsorge abgezogen werden. Der tiefere Koordinationsabzug sorgt also dafür. dass mehr vom Einkommen versichert ist. Das führt bei tiefen Einkommen wie im Fall von Maria zwar zu einem höheren Alterskapital, aber auch zu höheren Abzügen für die Versicherten (und die Arbeitgebenden) während des Erwerbslebens.


Angepasste Altersgutschriften für alle Altersgruppen

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – auch Altersgutschriften genannt– werden geglättet. Bis zum Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher zwei Stufen von 7 bzw. 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher zwei Stufen von 15 bzw. 18 Prozent). Dies führt dazu, dass die Altersgutschriften bei älteren Arbeitskräften gesenkt werden, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu stärken. Entsprechend sparen die über 45 jährigen im BVG-Obligatorium künftig weniger an als früher. Unverändert beginnt die Beitragspflicht in der beruflichen Vorsorge ab 25 Jahren.

AltersgruppeGeltendes RechtMit BVG21-Reform
25 – 347%n.a.
35 – 4410%n.a.
25 – 44n.a.9%
45 – 65n.a.14%
45 – 5415%n.a.
55 – 6518%n.a.
Altersgutschriften nach Altersgruppe mit BVG21-Reform, Quelle: Parlament.ch, Stand: 16. März 2023

Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge sinkt

Bisher musste man in der Schweiz bei einem Arbeitgeber mindestens 22’050 Franken pro Jahr verdienen, um in einer Pensionskasse versichert zu sein. Die Reform der beruflichen Vorsorge sieht nun vor, dass diese sogenannte Eintrittsschwelle auf 19’845 Franken gesenkt wird. Das soll dazu fürhen, dass rund 100’000 Arbeitnehmende besser in der Pensionskasse versichert werden: davon 70’000 als neue Versicherte und 30’000 bereits Versicherte mit tiefen Einkommen werden besser versichert. Die tiefere Eintrittsschwelle soll vor allem Personen mit niedrigerem Einkommen eine bessere Altersvorsorge ermöglichen.

Allerdings gibt es auch Kritik an dieser Massnahme. Einige Experten befürchten, dass die Senkung der Eintrittsschwelle zu höheren Verwaltungskosten für die Pensionskassen führen könnte, da diese nun vermehrt mit kleineren Guthaben umgehen müssen. Zudem könnte die Senkung dazu führen, dass die Altersvorsorge für die neu Versicherten, vor allem für Personen in prekären Arbeitsverhältnissen, unerschwinglich wird, da sie nun zusätzliche Beiträge in die Pensionskasse zahlen müssen.

BVG21-Reform-der-beruflichen-Vorsorge

Was bringt die BVG-Revision für Teilzeitmitarbeitende?

Die BVG21-Reform bringt Vorteile für Teilzeitmitarbeitende. Bisher hatten diese in der beruflichen Vorsorge Nachteile. Die BVG21-Reform sieht vor, dass Teilzeitmitarbeitende künftig denselben prozentualen Anteil an der Altersvorsorge erhalten wie Vollzeitangestellte. Das bedeutet, dass ihr Lohn pro rata in die Pensionskasse eingezahlt wird und sie denselben Anspruch auf Leistungen haben wie Vollzeitangestellte.

Neu soll auch kein fixer Koordinationsabzug mehr gelten. Stattdessen sollen immer 80 Prozent des jeweiligen Lohns versichert sein. Durch den Wechsel von einem fixen Koordinationsabzugs auf neu 20% des Lohns werden nun auch Teilzeitmitarbeitende mit einem tiefen Einkommen von der vollen Sparbeitragspflicht in der 2. Säule erfasst. Dies führt dazu, dass sie und ihre Arbeitgeber mehr Geld in die Altersvorsorge einbringen. Ausserdem führt die tiefere Eintrittsschwelle dazu, dass mehr Arbeitnehmende Zugang zur beruflichen Vorsorge bekommen.

So soll die BVG21-Reform einen Beitrag leisten, dass Teilzeitmitarbeitende in der beruflichen Vorsorge fairer behandelt werden und sie dadurch mehr finanzielle Sicherheit im Alter erreichen.

Mehr Geld im Alter mit einer Säule 3a

Auch in Teilzeit ist eine Säule 3a eine gute Lösung um selbst Rentenlücken zu schliessen.

Wie schließt die BVG21-Reform die Rentenlücke? Wer profitiert?

Zunächst einmal sinkt für alle Versicherten der absolute Rentenbetrag aus dem BVG-Obligatorium, weil der Mindestumwandlungssatz sinkt. Du weisst sicher schon: Altersguthaben mal Umwandlungssatz ergibt die Altersrente. Und weil nun mit 6 statt 6,8 multipliziert wird, sinkt die monatliche Rente aus dem Obligatorium. Für 15 Jahrgänge aus der Übergangsgeneration wird kompensiert. Für alle anderen nicht. Man kann also sagen: Wer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform (vermutlich Januar 2025) jünger als 50 Jahre alt ist, den trifft es. Dafür profitiert er/sie von einem stabileren System in der 2. Säule, weil wegen des tieferen Umwandlungssatzes weniger an die (künftigen) Pensionierten umverteilt wird.

Für die parlamentarischen Beratungen von Nationalrat und Ständerat wurden die „Auswirkungen der Ausgleichsmodelle auf die BVG-Altersgutschriften und die BVG-Altersrenten“ anhand von Modellrechnungen ermittelt. Diese bilden zwar keine individuelle Erwerbskarrieren oder überobligatorische Leistungen ab, haben aber den Entscheidungsprozess unterstützt. Betrachtet wurden verschiedene Jahrgänge (20, 25, 45, 50, 55, 60, 65 Jahre) mit jeweils Lohnniveaus von 25’000, 40’000, 55’000, 70’000 und 88’200 Franken.

Die Berechnungen zeigen, dass tiefere Löhne (25’000, 40’000, 55’000 Franken) fast gleiche (-1%) oder deutlich höhere durchschnittliche BVG-Renten bekommen werden, während diese für die höheren Lohnniveaus (70’000, 88’200) sinken werden – trotz der Zulagen.

Teilzeitmitarbeitende und Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen kommen dank der gesenkten Eintrittsschwelle und dem prozentualen Koordinationsabzug schneller in die berufliche Vorsorge. Sie profitieren dann davon, dass nicht nur sie, sondern auch ihr Arbeitgeber für sie Altersguthaben anspart. Darum stehen einige Arbeitgeberverbände der Reform kritisch gegenüber, weil sie Mehrkosten befürchten. Andere Interessenverbände kritisieren, dass während des Erwerbslebens bei den tieferen Einkommen weniger Geld als vor der Reform vom Lohn übrig bleibt.

Unsere Einschätzung:

Je jünger du bist und je tiefer dein Lohn ist, desto besser ist die BVG21-Reform für dich.

Liegt dein Lohn über 70’000 Franken pro Jahr und bist du 2025 älter als 45 Jahre, dann fällt deine künftige BVG-Rente mit der Reform tiefer aus. Details findest du in der Tabelle


Was sind die nächsten Schritte zur BVG21-Reform?

Über die Reform der beruflichen Vorsorge stimmt das Volk ziemlich sicher ab. Denn dass ein Referendum gegen die BVG-Reform zustande kommt, steht fast ausser Frage. Der Abstimmungstermin ist ebenfalls so gut wie gesetzt: der 3. März 2024.

FAQ zur BVG21-Reform / BVG-Revision 2023

Zusammenfassung BVG21-Reform

Die BVG21-Reform soll die berufliche Vorsorge für die Zukunft fit machen. Der Umwandlungssatz im BVG-Obligatorium wird von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent gesenkt, was im Durchschnitt einer Renteneinbusse von etwa einem Monatslohn pro Jahr entspricht. Um diese Einbusse auszugleichen, wird für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen ein lebenslanger Rentenzuschlag eingeführt. Die Änderungen bei der Eintrittsschwelle und beim Koordinationsabzug sind vor allem für Teilzeitarbeitende oder Arbeitnehmende mit tiefen Jahreslöhnen relevant. Die Reform ist für ältere Arbeitnehmende mit tiefen PK-Guthaben vorteilhaft, da sie durch den Rentenzuschlag kompensiert werden sollen. Trotzdem stösst die Reform auch auf Kritik und ihre Annahme in der erwarteten Volksabstimmung ist ungewiss. Insgesamt ist die Reform BVG21 ein wichtiger Schritt, um die berufliche Vorsorge in der Schweiz zu stärken und die Renten langfristig zu sichern.

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Last update: 26.03.2023 19:35

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Thomas verfügt über mehr als 30 Jahre Expertise als Privatanleger in fast allen Anlageklassen und zwei Vorsorgesystemen. Er gestaltet seit vielen Jahren einfache Kunden- und Serviceerlebnisse, bewegt Menschen und Organisationen und hat ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen von Menschen bei Finanzthemen gewonnen. Thomas bringt mit seinem Background als Doktor in Wirtschaftswissenschaften Themen einfach und pragmatisch auf den Punkt.
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