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Grenzgänger: Sozialversicherungspflicht und Steuerpflicht

Lesedauer 4 Minuten

Deine neue Partnerin lebt im benachbarten Ausland und du ziehst zu ihr? Oder kommst du zum Arbeiten in die Schweiz? Dnn wirst du Grenzgänger. Das sind Personen, die in einem EU-/EFTA-Land wohnen und in einem anderen EU/EFTA-Land arbeiten. Doch wo haben Grenzgänger Sozialversicherungspflicht und Steuerpflicht? Wir gehen dem im Artikel nach.

„Grenzgänger“ ist eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt

EU-Verordnung Nr. 883/2004 Art. 1 lit. f EG 883/2004

Für Grenzgänger gelten bei der Sozialversicherung verschiedene Rechtsgrundlagen. Seit 2002 gib es das Personen-Freizügigkeitsabkommen (FZA, insb. Art. 8 bzw. 20 und Anhang II) und das EFTA-Abkommen (insb. Art. 21). Ausserdem gelten die EU-Verordnungen EG VO 883/2004 und EG VO 987/2009, die ab 2015 durch die EG VO 465/2012 geändert wurden und ab 1. Januar 2015 anwendbar sind. Die Verordnungen gelten

  • für Staatsangehörige der EU und der EFTA oder für Schweizer mit einem Arbeitsort CH oder in der EU/EFTA
  • für die Sozialversicherung der AHV/IV, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, beruflichen Vorsorge (nur Obligatorium), Erwerbsersatzordnung, sowie für die Familienzulagen
  • in allen EU / EFTA-Mitgliedsstaaten

Doch welche Sozialversicherung gilt für mich als Grenzgänger?

Für Grenzgänger werden Sozialversicherungspflicht und Steuerpflicht durch verschiedene Unterstellungsprinzipien geregelt:

  • gemäss Ausschliesslichkeitsprinzip werden Grenzgänger der Gesetzgebung eines einzigen Staates unterstellt
  • gemäss Arbeitsortsprinzip besteht die Sozialversicherungspflicht (nur) dort, wo die Tätigkeit ausgeübt wird
  • gemäss 5%-Regel werden Tätigkeiten nicht berücksichtigt, die 5 % des gesamten zeitlichen Aufwands oder Einkommens übersteigen. Ausnahmen davon betreffen Leitungsorgane wie Geschäftsführer, Verwaltungsräte.

Grenzgänger sind in der Regel im Beschäftigungsstaat sozialversichert, unabhängig davon, wo sie wohnen oder wo ihr Arbeitgeber seinen Geschäftssitz hat. Wenn du als Grenzgänger in der Schweiz arbeitest, musst du in das Schweizer Sozialversicherungssystem nach den in der Schweiz geltenden Vorschriften Beiträge entrichten. Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Arbeitsortsprinzip bei der Sozialversicherung,

  • wenn du zur vorübergehenden Tätigkeit in ein anderes Land entsendet bist,
  • oder wenn du als Grenzgänger für denselben Arbeitgeber mindestens 25 % deiner Tätigkeit in deinem Wohnstaat arbeitest (Homeoffice). Falls du weniger als 25 % im Wohnstaat erwerbstätig bist, wirst du den Rechtsvorschriften des Staates unterstellt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat,
  • oder (seit 1. Juli 2023 möglich): die Unterstellung kann auf Antrag im Sitzstaat des Arbeitgebenden bleiben, wenn die (grenzüberschreitende Telearbeits-) Tätigkeit im Wohnstaat 25% überschreitet und keine 50% erreicht. 1
  • oder bei Mehrfachbeschäftigung in verschiedenen Staaten.

Mehr Details dazu findest du in der Information der AHV für Arbeitnehmende im Ausland und ihre Angehörigen (Link), Abschnitt 5.

Unser Tipp:

Wir merken uns: sowohl als Arbeitnehmer als auch als Selbstständiger und einer Erwerbstätigkeit in nur einem Staat bist du im Erwerbsstaat sozialversicherungspflichtig. Falls du gleichzeitig im Wohnsitzstaat und einem anderen Staat Tätigkeiten von mindestens 25 % der Gesamttätigkeit ausübst, dann bist du im Wohnsitzstaat sozialversicherungspflichtig. Bei weniger als 25% bist du im Fremdstaat sozialversicherungspflichtig.

Wo bin ich als Grenzgänger steuerpflichtig?

Zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sollen Grenzgänger vor einer doppelten Besteuerung der Einkünfte schützen. Wo die Einkünfte versteuert werden, hängt vom jeweiligen DBA ab.

So regelt Art. 15a, Abs. 1 des deutschschweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) die Steuerpflicht der Grenzgänger von Deutschland in die Schweiz. Demnach wirst du als Grenzgänger in die Schweiz grundsätzlich an deinem Wohnsitz in Deutschland besteuert. In der Schweiz wird jedoch auf den an deutsche Grenzgängerinnen gezahlten Löhnen eine auf maximal 4,5 % begrenzte Quellensteuer erhoben. Diese Steuer wird in Deutschland nach Vorlage des Lohnausweises, der den Betrag der abgezogenen Steuer angibt, bei der Veranlagung an die Einkommensteuer angerechnet bzw. zurückerstattet. Der in der Schweiz erhobene Quellensteuerabzug wird allerdings nur dann auf 4,5 % begrenzt, wenn du dem Arbeitgeber eine vom deutschen Wohnsitzfinanzamt ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung (Formular Gre-1) bzw. deren Verlängerung (Formular Gre-2) vorlegst. Wenn dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Lohnzahlung keine gültige Ansässigkeitsbescheinigung bzw. keine Verlängerung dieser Bescheinigung vorliegt, zieht er den vollen Steuerbetrag und nicht nur 4,5 % vom Lohn ab.

Unser Tipp: Welche Regeln gelten für Grenzgänger beim Steuerabzug in die steuerbegünstigte Säule 3a der Schweiz?

Säule 3a als Grenzgänger oder Ausländer einzahlen

Grenzgänger und Wochenaufenthalter ähneln sich, aber die steuerlichen Folgen unterscheiden sich. Wochenaufenthalter sind Personen, die an den Arbeitstagen am Arbeitsort übernachten und die arbeitsfreie Zeit (in der Regel an den Wochenenden) regelmäßig an einem anderen Ort (sog. Familien- oder Freizeitort) verbringen. Ein Wochenaufenthalt am Arbeitsort (Aufenthaltsort) ist in der Regel notwendig, wenn eine alltägliche Rückkehr an den Wohnort aus zeitlichen, beruflichen oder finanziellen Gründen nicht zumutbar ist.

Wenn du dich als Grenzgänger in der Schweiz als Wochenaufenthalter anmeldest, wird dein Einkommen am Ort der Arbeitsausübung zum vollen Tarif besteuert, d.h. es gibt keine Beschränkung auf 4,5 %. Deshalb: Informiere dich unbedingt bei deinem zuständigen deutschen Finanzamt über Auswirkungen auf deine Steuerpflicht in Deutschland, bevor du dich als Wochenaufenthalter anmeldest. Sonst kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen.

Zusammenfassung Grenzgänger: Sozialversicherungspflicht und Steuerpflicht

Wo Grenzgänger Steuern zahlen, legen die Doppelbesteuerungsabkommen fest. Als Grenzgängerin von Deutschland in die Schweiz wirst du grundsätzlich an deinem Wohnsitz in Deutschland besteuert. Für Wochenaufenthalter gelten für andere Regelungen.

Als Grenzgänger bist du in der Regel im Beschäftigungsstaat sozialversichert, egal wo du wohnst oder dein Arbeitgeber seinen Geschäftssitz hat. Folgende Fälle können zu abweichenden Regeln führen: Entsendung, mehr als 25 % Erwerbstätigkeit im Ausland (Wohnsitzland), Mehrfachbeschäftigung in mehreren Staaten für verschiedenen Arbeitgeber.

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Weiterführende nützliche Quellen

  • Informationen für Grenzgänger*innen mit Wohnort Deutschland und Arbeitsort Schweiz (Link)
  • Information der AHV für Arbeitnehmende im Ausland und ihre Angehörigen (Link)
  • St. Galler Steuerbuch: Wochenaufenthalter mit Grenzgängerbewilligung EU (Link)
  • Staatssekretariat für Migration (SEM): Ausweis G (Grenzgängerbewilligung) (Link)
  • Staatssekretariat für Migration (SEM): Personenfreizügigkeit Schweiz – EU/EFTA (Link)

Disclaimer

Wir haben für den Inhalt dieses Artikels grosse Sorgfalt angewendet. Fehler können wir trotzdem nicht ausschliessen und können keine Gewähr für Korrektheit und Vollständigkeit bieten. Der Artikel ersetzt keine steuerliche Beratung. Wir bieten keine Steuerberatung an und empfehlen Steuerfragen in jedem Fall mit einem Steuerexperten und/oder der zuständigen kantonalen Steuerverwaltung abzuklären werden. Jegliche Haftung wird abgelehnt.

  1. Die Schweiz hat das Multilaterale Framework Agreement (MFA) unterzeichnet, das am 1. Juli 2023 in Kraft getreten ist. Es regelt die grenzüberschreitende Telearbeit. Mehr Details dazu findest du in diesem Beitrag. ↩︎

Last update: 04.11.2023 19:26

Autor

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Thomas verfügt über mehr als 30 Jahre Expertise als Privatanleger in fast allen Anlageklassen und zwei Vorsorgesystemen. Er gestaltet seit vielen Jahren einfache Kunden- und Serviceerlebnisse, bewegt Menschen und Organisationen und hat ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen von Menschen bei Finanzthemen gewonnen. Thomas bringt mit seinem Background als Doktor in Wirtschaftswissenschaften Themen einfach und pragmatisch auf den Punkt.
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