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Corona und Geldanlage: Alles was du wissen musst

Corona und Geldanlage
Lesedauer 7 Minuten

Wenn mir vor zwei Monaten jemand gesagt hätte, dass die Börse 30% tiefer steht, ich jeden Tag im Homeoffice arbeiten würde, Kinder “Corona-Ferien” und Home Schooling machen und das öffentliche Leben so gut wie eingestellt wird, hätte ich es nicht geglaubt. Und doch hat Corona alles verändert, auch die Geldanlage. Wir schauen uns Corona und Geldanlage an: was ist warum passiert – und was du tun kannst.

Corona ist anders

Das Corona-Virus ist ein hoch ansteckendes Virus, das die Krankheit COVID19 auslöst. Corona befällt Menschen erst seit etwa Dezember 2019 und überträgt sich meistens durch eine Tröpfcheninfektion über die Atemwege oder Augenschleimhaut. Weil Corona neu ist, hat noch niemand Antikörper und es gibt keine Behandlung und keine Impfstoffe. Was Corona so tückisch macht: das Virus hat eine vergleichsweise lange Inkubationszeit und sehr viele Infizierte zeigen keine Symptome. Heisst: vielen, die es haben, siehst du es nicht an, aber sie verschleppen es weiter. So hat es sich fast unbemerkt in der gesamten Welt und der Schweiz ausgebreitet. Anders als bei einer Grippe ist sowohl die Ansteckungsgefahr mit einer Verbreitungszahl von 3 (also drei neue Infizierten pro Erkranktem) als auch die Sterblichkeitsrate deutlich höher. Weil viele Erkrankte künstlich beatmet und intensiv betreut werden müssen, läuft das Gesundheitssystem Gefahr an die Kapazitätsgrenze zu kommen. Darum müssen wir die Ausbreitung verlangsamen, weil sonst Erkrankte nicht angemessen behandelt werden können.

Corona-und-Geldanlage

Corona lässt sich unter Kontrolle bringen

China hat das geschafft. Innerhalb 8 Wochen haben die Chinesen den Ausbruch unter Kontrolle gebracht und so gezeigt, dass Massnahmen zur Eindämmung (Containment) funktionieren. Nach 2-3 Wochen weitreichender Quarantäne wurde der Peak an Neuinfektionen erreicht, 8 Wochen später hat die chinesische Wirtschaft wieder rund 80% des vorherigen Niveaus erreicht. Aber China ist China…. Handeln die USA und Europa ähnlich entschlossen, um den Ausbruch einzudämmen? Und hält sich hier die individualistisch eingestellte Bevölkerung ebenso strikt wie in China an die Vorschriften zum Social Distancing?

Corona und Geldanlage: eine Gesundheitskrise, keine Finanzkrise

Die Containment-Massnahmen der Regierungen schränken die wirtschaftliche Produktion schmerzhaft ein, denn es fehlen Arbeitskräfte und die Lieferketten werden unterbrochen. Das erzeugt einen Angebots-Schock, weil nicht mehr produziert wird. Die Massnahmen schränken auch die Bewegungsfreiheit der Menschen und das öffentliche Leben ein. Weil die Leute wegen Social Distancing und den Bewegungseinschränkungen viel weniger konsumieren können, bricht auch der Inlandskonsum ein. Das ist ein Nachfrage-Schock

Mehrere Schocks gleichzeitig

Derzeit erleben die Finanzmärkte erstmals mehrere Schocks gleichzeitig. Einerseits Corona mit den Angebots- und Nachfrageschock und deren schwer abschätzbaren Folgen. Und andererseits läuft im Windschatten sozusagen fast unbemerkt der Ölpreis-Krieg zwischen Saudi-Arabien und Russland. Der Ölpreis fällt, weil sich das OPEC-Kartell nicht auf Förderbegrenzungen einigen konnte, weltweit aufgrund Corona die Ölnachfrage sinkt und sich Russland und Saudi-Arabien nicht auf einen Preis einigen konnten und beide nun fördern was das Zeug hält.

Finanzmärkte übersetzen Informationen in Kurse

Wie die Finanzmärkte all das einpreisen sollen ist unklar, weil sich die Fakten- und Meinungslage rasch verändert. Das Trommelfeuer neuer Nachrichten, die der zunehmenden Verbreitung des Corona-Virus folgen, lässt darum die Preise praktisch aller Vermögenswerte stark schwanken oder fallen. Die Exponentialfunktion der viralen Verbreitung wirkt schneller als das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen. Corona und Geldanlage passt für sie nicht zusammen. Gemessen am MSCI-World Index, einem weltweiten Aktienindex macht das dann satte 32% Kursrückgang im letzten Monat. Die Unsicherheit führt zur Flucht vieler Anleger ins Bargeld, alles wird verkauft, auch Anleihen. OMG, vielleicht ist es morgen noch tiefer?

Wertentwicklung MSCI World-Index März 2019-März 2020
Corona und Geldanlagen

Quelle: www.ariva.de/msci_world-index, 21. März 2020

Besonders betroffen davon sind Unternehmen in Branchen mit physischer Produktion und Gütern wie Automobile, Tourismus, Flugindustrie, Messe/Events, Logistik.

Chancen gibt es für Unternehmen in den Feldern Fintech, e-commerce, online gaming & entertainment und online education, die von der Nachfrageverlagerung und ihrer ortsunabhängigen Produktion profitieren. 

Wertentwicklung MSCI World-Index zum 21. März 2020
Corona und Geldanlagen

Quelle: www.ariva.de/msci_world-index, 21. März 2020

Neben Fakten wirkt auch die Investoren-Stimmung auf die Finanzmärkte 

Die Finanzmärkte durchlaufen verschiedenen Zyklen, die verschiedene psychologische Effekte auf die Investoren haben. Wenn die Bewertungen hoch sind und alles gut läuft, fühlen sich Investoren bestätigt und zuversichtlich und glauben dass es für die nächste Zeit so weiter läuft. Selbstgefällig ignorieren sie Warnzeichen wie beispielsweise hohe Bewertungen. Diesem guten Gefühl folgt üblicherweise grosse Nervosität, wenn die Märkte beginnen zu sinken.

You want to be greedy when others are fearful. You want to be fearful when others are greedy” (Warren Buffet) 

Fear&Greed – Zyklus: welche Emotionen Investoren in Marktzyklen antreiben
Corona und Geldanlage

Quelle: www.fxstret.com

Derzeit haben sehr viele Investoren offene Panik und wollen ihre Aktien so schnell wie möglich zu Geld machen – aus welchen Gründen auch immer. Sie brauchen Geld, müssen offene Positionen wegen Margin Calls schliessen, oder erwarten schlichtweg, dass die Kurse weiter und weiter sinken. Sie glauben, dass Corona und Geldanlage nicht zusammenpassen und wollen einfach “raus”. Doch wie sich die Kurse nächsten Monat entwickeln – das weiss niemand. Niemand weiss, wie lange der Virus die Wirtschaft betreffen wird. Vielleicht gibt es in 2 Wochen eine wirksame Behandlung? Oder in 2 Monaten einen Impfstoff? Oder der Virus erlebt in China einen rebound und es tritt dort eine neue Infektionswelle auf? 

Corona-Hilfsprogramme sollen wirtschaftliche Folgen abfedern

Klar und unausweichlich ist mittlerweile, dass das Corona-Virus in Europa und den USA im zweiten Quartal zu einer Rezession führt. Um diese zu dämpfen, haben Zentralbanken und Staaten verschiedene Hilfsprogramme aufgesetzt. Diese sollen Liquiditätsengpässe bei Unternehmen und Verbrauchern, Massen-Entlassungen und Unternehmenslonkurse verhindern. 

Für jeden Monat, in dem die Einschränkungen in Kraft sind, braucht es aus Expertensicht staatliche Transfers von 1–2% des jährlichen Bruttosozialprodukts in den Privatsektor. Daran gemessen haben sind die angekündigten Programme massiven dimensioniert: 22% in Italien,16% in Grossbritannien, 15% in Deutschland, 11% in Frankreich und 10% in den USA, wobei derzeit Verhandlungen über dein drittes Programm von weiteren 5-7% laufen. Zusätzlich hat die Europäische Zentralbank angekündigt, für 750 Milliarden US-Dollar Anleihen aufkaufen um so für Liquidität im Markt zu sorgen. In der Schweiz umfasst das Hilfspaket von 42 Milliarden Franken 6% der jährlichen Wirtschaftsleistung, wovon etwa die Hälfte für Kurzarbeit und die andere Hälfte als Liquiditätshilfe für KMUs durch die Banken erfolgt. Nicht kleckern, sondern entschieden klotzen ist weltweit die Devise. 

Wie geht es mit Corona und Geldanlagen weiter

Die künftige Entwicklung von Corona und Geldanlagen hängt von der sich ausbildenden Meinung auf zwei Fragen ab. Erstens, wie schnell kann sich das derzeit stark beeinträchtigte Wirtschaftsleben wieder normalisieren? Zweitens, wie gut können die verschiedenen Hilfsprogramme von Staaten und Zentralbanken Konkurse und Arbeitslosigkeit begrenzen?

Daraus leiten sich drei Szenarien für das Wirtschaftswachstum ab: erstens “V-Knick” (ein schneller Taucher mit raschen Ramp-Up im dritten Quartal), zweitens “U-Knick” (eine längere wirtschaftliche Delle mit anschliessendem Wiederanstieg im vierten Quartal 2020), drittens “L-Knick”  (eine lang anhaltende Wachstumsstörung im 2020). Welches Szenario eintritt weiss heute niemand. Aktuell erwartet der Markt einen U-Knick.

Was du jetzt tun kannst

1. Stay healthy, stay home

Halte dich an Social Distancing. Wenn du zuhause bleibst, minimierst du den Kontakt mit anderen Menschen, infizierst dich nicht und überträgst so das Virus nicht. So sorgst du dafür, dass die Epidemie abflacht, weil die infizierten Personen ausheilen und das Virus nicht mehr übertragen. Wenn du zu Hause bleibst trägst du entscheidend dazu bei, dass die Beschränkungen schneller wieder gelockert werden können, und dein Leben schneller wieder zur Normalität zurückfinden kann. 

2. Die Chancen sehen

Hast du schon mal etwas erreicht worauf du stolz bist? Das war eine Herausforderung für dich, an der du gewachsen bist, die dir Kraft und Zuversicht für den nächsten Schritt gibt. 

Diese kollektive Herausforderung werden wir gestärkt meistern. Spannende Perspektive dazu bietet ein Zukunftsforscher

Was wirst du in 6 Wochen schätzen gelernt haben? Welche neuen Fähigkeiten hast du dann erlernt? Was hast du in deinem Leben zum positiven verändert, was bis dahin nicht möglich schien? Denk mal drüber nach.

Unser Tipp: lass dich jetzt nicht von den temporären Marktschwankungen oder den Trommelfeuer an schlechten Nachrichten aus der Ruhe bringen. Corona wird nach heutigem Stand keine Existenzbedrohung für eine relevante Zahl von Firmen auf der ganzen Welt sein. Und hoffentlich auch nicht für dich, denn du weisst wie du dich und deine Lieben schützt.

3. Ruhige Hand bei der Geldanlage bewahren

Niemand weiss was die Zukunft bringt. Doch manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, um aktuelle Ereignisse zu bewerten. Seit 1900 gab es mehr als ein Dutzend Hyperinflationen, 20 Rezessionen, fast 200 Staatsschuldenausfälle oder Schuldenkrisen, zwei globale Finanzkrisen und 12 Bärenmärkte (über längeren Zeitraum fallende Kurse).

Geopolitisch gab es sieben globale Pandemien, zwei Weltkriege, Hunderte von Bürger- oder Regionalkriegen, mehr als 2’000 nukleare Detonationen und Revolutionen in den grössten und bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Dennoch ist die Bevölkerung weltweit gewachsen, die Weltwirtschaft gestiegen und globale Aktien erzielten von 1970 bis 2018 Jahr für Jahr eine nominale Rendite von durchschnittlich 7,5%. Bereinigt um die Inflation wuchs dein Kapitel real immer noch um 4,7% pro Jahr. 

Heute lässt sich unmöglich vorhersagen, ob in den kommenden Monaten V-, U- oder L-Knick mit Corona und Geldanlage eintreten wird. Die aktuelle Krise wird in 10 Jahre ganz sicher ein tiefer Einschnitt im Kurs-Chart sein – aber möglicherweise eben nur das. Vielleicht bietet sie für Menschen, die ihr Vermögen noch aufbauen, eine wunderbare Chance, sich jetzt viel günstiger mit Vermögenswerten einzudecken. 

Auch wenn es angesichts der substanziellen Kursrückgänge vieler Aktien (30-50%) verlockend sein mag, würden wir den Kauf von Einzeltiteln (“Stockpicking”) Profis überlassen und stattdessen auf ganze Märkte mit ETFs setzen. Denn wir sind überzeugt, dass diszipliniertes, diversifiziertes und langfristiges Vorgehen beim Investieren der beste Weg ist, um langfristig dein Vermögen zu erhöhen. In einem nächsten Beitrag schauen wir uns noch genauer an, was Corona und Geldanlage bedeuten: Was sollst du mit deinem Depot machen? Sollst du verkaufen? Kaufen? Sparplan aussetzen, starten? Stay tuned.

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Last update: 14.12.2020 21:14

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Thomas verfügt über mehr als 30 Jahre Expertise als Privatanleger in fast allen Anlageklassen und zwei Vorsorgesystemen. Er gestaltet seit vielen Jahren einfache Kunden- und Serviceerlebnisse, bewegt Menschen und Organisationen und hat ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen von Menschen bei Finanzthemen gewonnen. Thomas bringt mit seinem Background als Doktor in Wirtschaftswissenschaften Themen einfach und pragmatisch auf den Punkt.
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